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Zoom-Meeting:
Hier verliebt sich
niemand
Sie haben ein wirklich wichtiges Zoom-
Meeting organisiert. Nach ca. 20 Minuten
haben Sie das Gefühl, dass die
Konzentration der Gesprächspartner*innen
nachlässt. Nur wenige Teilnehmer sind bei
der Sache, einige scheinen mit ihren
Gedanken ganz wo anders zu sein. Nach 45
Minuten würden Sie am liebsten das
Meeting abbrechen ...
Woher kommt das? Und was können Sie
dagegen tun?
Vermutlich leiden Ihre Zuhörer unter dem
Zoom-Fatigue-Syndrom.
Um zu verstehen, was es damit auf sich hat,
sollten wir Ihr Online-Meeting mit einem
„Vor-Ort-Meeting“ vergleichen. Nehmen wir
an, sich träfen sich im wahren Leben mit
fünf anderen Personen. Ihre Zuhörer*innen
würden dann vielleicht ein paar Minuten
vorher eintreffen, sich umschauen und auch
alle anderen Teilnehmer betrachten – und
zwar von Kopf bis Fuß. Sie würden alle Ihre
fünf Sinne benutzen: Sie würden die
anderen sehen, sie riechen, sie hören, sie
bei der Begrüßung per Handschlag
berühren, und wenn Sie gemeinsam Kaffee
trinken würden, hätten Sie sogar noch ein
verbindendes Geschmackserlebnis. In
Coronazeiten entfallen der Handschlag und
damit das haptische Erlebnis – vielen fällt
schon dieser Verzicht schwer. Die Nutzung
der fünf Sinne – beim Treffen im realen
Leben – hilft zum einen alle Informationen
auf der bewussten Kommunikationsebene
wahrzunehmen, wie im Eisbergmodell von
Sigmund Freud dargestellt.
Diese Sinne tragen aber zum anderen dazu
bei, noch ein großes Stück unter die
Wasseroberfläche auf die vorbewusste
Ebene zu schauen. Menschen sind in der
Lage, die Körpersprache des Gegenübers
unbewusst wahrzunehmen. Dadurch
bekommen wir, häufig als „Bauchgefühl“,
eine mehrdimensionale Sicht auf unsere
Gesprächspartner und die Situation.
Das ist interessant und gibt uns Sicherheit.
Vertrauen entsteht auf der vorbewussten
Ebene.
Zurück zum Online-Meeting: Von den fünf
Sinneseindrücken vor Ort bleiben Ihnen und
Ihren Zuhörer*innen online nur zwei - Sehen
und Hören. Und beide regelmäßig auf
unbefriedigendem Niveau. Was die
Teilnehmenden hören, ist aufgrund
technischer Einschränkungen oft nicht
perfekt. Sie kämpfen mit schlechten
Tonqualitäten, Nebengeräuschen und Schall.
Was sie sehen, ist noch unbefriedigender.
Sie sehen meistens nur den Kopf und die
Schultern der Gesprächspartner. Ihr
Unterbewusstsein möchte aber gerne einen
ganzen Menschen wahrnehmen, es weiß ja
nicht, dass gerade nur online kommuniziert
wird. Es möchte auch hier einen Teil der
vorbewussten Ebene erreichen. Deshalb
sucht es unbewusst ständig nach den
fehlenden Informationen. Das ist ungefähr
so, als würden Sie ein Puzzlebild betrachten,
auf dem viele wichtige Teile fehlen: Das ist
frustrierend und kostet viel Kraft – deshalb
ermüden alle online schneller.
Die schnellere Ermüdung ist nur eine
Herausforderung in der Online-Welt. Die
zweite große Thematik ist die Einschränkung
unserer Instinkte – unseres Bauchgefühls.
Wenn Sie Vertrauen zu unbekannten
Gesprächspartner*innen aufbauen wollen,
benötigen Sie zwingend einen Teil der
vorbewussten Ebene. Weil das online so viel
schwerer ist, scheitern Sie damit vermutlich
häufig. Deshalb machen
Vorstellungsgespräche online nur dann Sinn,
wenn es erst mal nur um Zahlen und Fakten
geht (die Spitze des Eisbergs). Zum
Vertrauensaufbau werden Sie persönliche
Gespräche benötigen. Ähnlich verhält es sich
bei Vertriebsgesprächen. Emotionales
Verkaufen funktioniert deutlich besser in der
realen Welt. Das wissen wir auch von Dating
Apps. Wenn Singles nach rechts oder links
wischen, dann ist das erst mal eine Reaktion
auf das obere Drittel des Eisbergs. Wir
beurteilen nur die Daten und Fakten: Passen
Aussehen, Alter und Interessen zu meinen
Vorstellungen. Ist dieser Datencheck
erfolgreich, besteht die Möglichkeit, sich bei
einem realen Treffen zu verlieben. Von
einem Zoom-Call als erstem Date rate ich
dringend ab.
Sehr gut funktionieren Videokonferenzen
allerdings mit Menschen, die sich bereits
kennen und schon im normalen Leben eine
Vertrauensbasis aufbauen konnten. Dann
reicht es aus, nur das Gesicht des
Gegenübers zu sehen. Sie können sich
aufgrund anderer Erfahrungen gut
vorstellen, wie der oder die andere gerade
mit Ihrem Körper spricht. Deshalb kommt
Ihr Unterbewusstsein mit den fehlenden
Informationen gut zurecht. Es kennt das
fehlende Puzzlestück bereits und ergänzt es
automatisch.
Es gibt einige Methoden, mit denen Ihre
Online-Zusammenkünfte erfolgreicher
werden:
1. Ihre Zuhörenden brauchen das Gefühl,
dass Sie sie anschauen. Schaffen Sie eine
Verbindung zu Ihnen, indem Sie in die
Kamera schauen. Das ist am Anfang
gewöhnungsbedürftig, weil Sie lieber in die
Gesichter auf Ihrem Bildschirm schauen
möchten. Es ist aber die Mühe wert. Wenn
Sie sich auf das kleine Loch in der Mitte der
Kamera konzentrieren, haben Ihre
Kommunikationspartner*innen das Gefühl,
dass Sie Ihnen direkt in die Augen schauen.
2. Zusätzlich sollten Sie selbst als
Gesprächspartner*in Ihrem Gegenüber
möglichst viele Informationen zur Verfügung
stellen. Zeigen Sie gelegentlich mehr als nur
Ihren Kopf. Wenn Sie reden, sprechen Sie
auch mit Ihren Händen – und zwar auf
Kamerahöhe. Sie können auch ein Stück
vom Schreibtisch zurückrücken, damit man
mehr von Ihnen sieht. Das macht allerdings
nur Sinn, wenn es nicht zu viele
Videokonferenzteilnehmer gibt, die Kacheln
deshalb bei allen groß genug sind, um Ihr
Gesicht noch zu erkennen.
3. Sorgen Sie für einen schlichten
Hintergrund. Es ist toll, wenn Sie ein volles
Bücherregal mit vielen persönlichen
Erinnerungsstücken haben. Leider werden
Ihre Zuhörer das auch interessant finden.
Sie werden automatisch mit ihren Blicken
auf die Suche gehen, weil wir Menschen nun
mal neugierige Wesen sind. Diese Suche
wird sehr stark von Ihnen als Person
ablenken. Lösungen bieten hier zum Beispiel
einfarbige Paravents oder andere
Aufstellwände. Sie können auch
vorübergehend dicke nicht reflektierende
Stoffe über Ihr Regal hängen. Tun Sie, was
nötig ist, um einen möglichst ruhigen
Hintergrund zu erzeugen. Virtuelle
Hintergründe sind nur die zweitbeste Wahl.
Sie sorgen meistens für ein irritierendes
Flimmern um den Kopf des Redners was
wiederum ablenkt.
4. Bei einigen Videokonferenzanbietern gibt
es die Möglichkeit, alle Teilnehmenden in
einen gemeinsamen virtuellen Raum zu
setzen. Das soll Verbindung schaffen.
Zumindest bei mir erzeugt das lediglich ein
Störgefühl: Ich weiß ja ganz genau, dass ich
gerade NICHT den anderen an einem Tisch
sitze.
5. Nach 7 Minuten reiner Zuhörzeit lässt die
Konzentration jedes Menschen nach. Als
Sprecher*in sollten Sie deshalb Ihre
Teilnehmer regelmäßig wachrütteln. Das
geht in einem Meeting ganz einfach mit
einer kurzen Meinungsabfrage: „Können Sie
bitte mal kurz die virtuelle Hand heben,
wenn Sie das auch schon mal so erlebt
haben?“ Bei Schulungen und längeren
Meetings macht es Sinn, auch aufwendigere
Onlinetools wie Concept Board, Flinga,
Padlet oder Mentimeter zu nutzen. Wenn Sie
den ganzen Tag gemeinsam online sind,
sollten Sie zwischendurch
gemeinschaftsfördernde und entspannende
Aktionen einplanen. Je nach Situation und
Unternehmenskultur können das kleine
Yogaübungen, Wettkämpfe,
Malwettbewerbe oder Fragespiele sein. Im
Internet sind viele Ideen dazu zu finden: Sie
werden staunen, was online alles möglich
ist.
6. Wie oben beschrieben, ermüden wir
online schneller als im „Vor-Ort-Meeting“,
deshalb sollte ein Meeting idealerweise nicht
länger als 45 Minuten dauern. Wenn Sie
online trainieren oder informieren, sollten
Sie dies – bei unterhaltsamer Gestaltung
und Einsatz von interaktiven Tools – maximal
90 Minuten tun. Danach brauchen Ihre
Zuhörer 30 Minuten Pause. Meiner
Erfahrung nach bearbeiten die Zuhörende in
der Pause nämlich erst mal 15 Minuten lang
ihre Mails und Nachrichten. Sie benötigen
aber unbedingt auch noch eine
bildschirmfreie Zeit von mindestens 15
Minuten.
7. Falls möglich, halten Sie die
Teilnehmerzahlen gering. An einem
intensiven Austausch sollten gleichzeitig
nicht mehr als 6 Personen teilnehmen.
Machen Sie zur Not mehrere kurze Meetings
mit weniger Teilnehmern.
Die hier genannten Ideen können Sie ohne
großen Aufwand umsetzen.
Sie ermöglichen Ihren Online-Gesprächs-
partner*innen ein angenehmes
Kommunikationserlebnis und wirken selbst
professionell.
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